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2021 - Gebietsbetreuer-Tagebuch

Es handelt sich bei diesem Dokument um keine wissenschaftlich fundierte Arbeit. Berichtet werden persönliche Erlebnisse und Erkenntnisse von Gebietsbetreuerinnen und -betreuern für die Schleiereule. Es richtet sich daher auch an Laien und interessierte Eulen-Freunde.
Text und Fotos (wenn nicht anders vermerkt): Achim Busekros

Ich betreue in diesem Jahr in zwei Gebieten im Kreis Rendsburg-Eckernförde insgesamt 112 Schleiereulen-Nistkästen an 91 Standorten.

Genutzte Abkürzungen: SE=Schleiereule, WK=Waldkauz, TF=Turmfalke, NK=Nistkasten, JUV=Jungvogel-/vögel

Juni 2021

Die erste Phase der Kontrollen ist erfolgt. Das erwartete schlechte Ergebnis bestätigt sich in der Geest und im Östlichen Hügelland und lässt ein insgesamt schlechtes Jahr für die Schleiereule in diesen Bereichen erwarten. Im Marschland sieht es dagegen nicht ganz so schlecht aus, zumindest was die Anzahl der Bruten betrifft.

Hauptverantwortlich ist die Nahrungsknappheit, der erwartete Mäusemangel. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Reproduktionsrate bei der SE aus: wenig Nahrung bedeutet wenig Nachwuchs. Zu dieser Jahreszeit kommt die durch das höherstehende Mais und Getreide erschwerte Erreichbarkeit der Beute als weiterer Faktor hinzu.

Zudem sorgten die kalten Nächte im April und bis in den Mai hinein dafür, dass die SE teils sehr spät mit der Brut begonnen haben. Sogar Ende Juni werden noch bebrütete Eier in den NK festgestellt.

Trotzdem gibt es erste Besonderheiten. In zwei Nisthilfen fanden sich ungewöhnliche Gelege. Die SE „adoptierten“ TF-Eier (linkes Foto 5 SE- und 2 TF-Eier, rechts 6 SE- und 1 TF-Ei). Die nächste Kontrollen werden dann zeigen, wie sich diese Gelege entwickeln.

20210610 TF SE Gelege 20210618 TF SE Gelege PetersenFoto: Helga Petersen, Glückstadt

Profiteure der abwesenden SE-Brutpaare könnten unter anderem die Turmfalken werden. Diese haben die verwaisten NK in Beschlag genommen. Aber auch der TF leidet unter dem Mäusemangel, wenn es sich auch nicht so gravierend auswirkt, wie bei der SE. Eine Erklärung dafür ist die Tatsache, dass der TF mehr Zeit am Tag für seine Beuteflüge hat, da es wesentlich länger hell ist. Der SE verbleiben im Sommer nur wenige Stunden in der Nacht.

Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt. Vielleicht nimmt die Wühlmauspopulation im Verlauf des Sommers wieder zu und der Jagderfolg bessert sich nach der Mais- und Getreideernte.

 

So arbeiten die Profis

Hier folgen ein paar Fotos von Nikolas LINKE, der unseren 1. Vorsitzenden Johann BÖHLING und seinen Vorgänger Hans-Dieter MARTENS am 10. Juni bei einer Kontrolltour begleitete. Zu ihrem Bedauern befanden sich „nur“ Turmfalken in einigen der kontrollierten NK.

Nikolas Linke 01Während Hans-Dieter MARTENS die Kratzprobe am NK durchführt ...Nikolas Linke 02... wartet Johan BÖHLING mit einem Kescher am Flugloch

Diese Methode, bei der man mindestens zu Zweit sein und auch über das entsprechende Equipment verfügen sollte, dient dazu, den flüchtenden Altvogel einzufangen und gegebenenfalls zu vermessen und zu beringen. Im Falle der Belegung durch die SE hat sie auch den Vorteil, dass das Weibchen nach der Kontrolle direkt wieder in den NK eingesetzt werden kann. Sie irrt so nicht, speziell bei Sonnenschein, zu lange außerhalb des NK umher. Die Pulli werden nach einer kurzen Unterbrechung weiter gehudert (gewärmt), sofern es noch notwendig sein sollte.

Nikolas Linke 03Nikolas Linke 04

Das Weibchen ist in sicheren Händen ....


Nikolas Linke 05Nikolas Linke 06

Es folgt das Messen und Wiegen

Nikolas Linke 07Nikolas Linke 08

Nach überstandener "Behandlung" ist das Weibchen (schön erkennbar am braun gestreiften Kopf) etwas ungehalten und wird in die Freiheit entlassen.

Nikolas Linke 09Nikolas Linke 10

Eine vergleichbare Prozedur erwartet nun auch die Pulli. Erst die Entnahme aus dem NK, dann unter Anderem das Befestigen des Ringes. Auch die Pulli überstehen alles problemlos.

Anfang Juni 2021

Mittlerweile fanden die ersten Kontrollen der SE-NK statt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Es wurde bis jetzt nur wenige SE-Bruten mit zumeist kleinen Gelegen registriert. Auch die Einschätzung eines späten Brutbeginns manifestiert sich. Das Ergebnis war grundsätzlich erwartet worden, da in diesem Jahr mit einem verringerten Nahrungsangebot (weniger Wühlmäuse) gerechnet wird. Einige Landwirte bestätigen auch, dass aktuell nur wenig frische Mausgänge auf den Feldern zu sehen sind.

Mitte - Ende Mai 2021

In Kürze kann die neue Kontrollsaison für die SE-NK starten. Erste „Wasserstandsmeldungen", die bisher eingetroffen sind, lassen eine wenig erfolgreiche Saison erwarten.

Wahrscheinlich setzt sich die schon im Spätsommer letzten Jahres angedeutete Verknappung des Nahrungsangebotes, die Verschlechterung der "Mäuselage", fort. Dies ist ein ganz normaler, natürlicher Vorgang, der sich periodisch wiederholt.

Nach jetzigem Stand sind weniger Bruten und kleinere Gelege zu erwarten.  Auch ein späterer Brutbeginn, wie teils auch im letzten Jahr, scheint sich zu wiederholen.

Mitte Mai wurde mir ein ganz besonderes Ereignis zuteil. Ich konnte unseren Spauz-Rauz Fachmann Christian Nickel zur Kontrolle einer Sperlingskauz-Brut in den Segeberger Forst begleiten.

Gegen 10.45 Uhr trafen wir am Nistplatz ein. Zunächst kontrollierten wir mit einer Höhlenkamera die Nisthöhle. Das Weibchen saß, wie von Christian erwartet, in der Höhle und huderte die einige Tage zuvor geschlüpften Pulli. Dann machten wir es uns in der Nähe der Nisthöhle gemütlich und beobachteten das Einflugloch in einer alten Fichte. Ca. anderhalb Stunden tat sich nichts. Christian erwartete, dass das Männchen um die Mittagszeit zur Nahrungsübergabe kommen wird. Zumindest aber wird sich das Weibchen um die Zeit am Einflugloch zeigen. Mit zunehmender Sonneneinstrahlung auf den Höhlenbaum wird auch die Bruthöhle etwas wärmer, so dass das Hudern für wenige Minuten unterbrochen werden kann.

Und tatsächlich, kurz nach Mittag war es scheinbar soweit. In der Nachbarschaft war lautes Gezeter (Hassen) der Singvögel zu hören. Kam das Männchen? Nach wenigen Minuten zeigte sich das Weibchen am Flugloch und schaute uns interessiert (oder doch gelangweilt?) an. Das Männchen kam aber nicht zur Nisthöhle. Das Weibchen verschwand und schaute nach einer Viertelstunde wieder raus. Es tat sich aber nichts.

20210519 Spauz 1Nette Leute dort draußen

Es verging erneut eine halbe Stunde. Dann schaute sie wieder aus dem Flugloch und nach einem kurzen Sondieren der Umgebung verließ sie die Nisthöhle.

Sie flog auf einen Baum in ca. 10 Metern Entfernung und putzte sich zunächst ausgiebig das Gefieder. Dabei ließ sie sich in keinster Weise durch unsere Anwesenheit stören. Dann flog sie auf einen anderen Baum, um dort einen wahrscheinlichen Singvogel zu rupfen. Zumindest heruntersegelnde Federn und ihre Bewegungen deuteten darauf hin. Dieses Beutedepot hatte das Männchen zuvor in einer Astgabel angelegt. Ob dies um die Mittagszeit geschah, als die Singvögel zeterten, konnten wir nicht beobachten. Es war auf jeden Fall erstaunlich zu beobachten, wie zielstrebig das Weibchen dieses Depot anflog. Nach diesem Mahl ging es wieder zurück in die Höhle, um die Pulli zu hudern.

20210519 Spauz 2Gefiederpflege: Wer schön sein will, muss was dafür tun!

Kurz danach packten wir unsere Sachen und trotteten von dannen. Es war für mich ein wundervolles Erlebnis, vielen Dank nochmals an Christian. Ich konnte auch sehr viel von seiner Fachexpertise lernen und habe jetzt auch eine Ahnung davon, wie zeitaufwendig die Beobachtung und vor allem das Auffinden dieser kleinsten unserer Eulen ist. Am meisten hat mich erstaunt, wie wenig sich das Weibchen von unserer Anwesenheit gestört zeigte. Ahnte sie, dass wir die „Guten“ sind?

Anfang Mai 2021

Mitte bis Ende des Monats wird es endlich losgehen können mit den Kontrollen der SE-NK. Anfang des Monats gingen erste Beobachtungen von WK-JUV ein, die die NK verlassen. Der WK brütet schon wesentlich früher als die SE. Genutzt werden von ihm auch SE-NK an waldnahen Standorten. Bekanntermaßen können die WK-JUV noch nicht fliegen, wenn sie ihr Nest bzw. den NK verlassen. Sie laufen dann als sogenannte Ästlinge auf dem Boden herum und klettern mit zunehmendem Alter in die Bäume. Diese Phase hält noch einige Wochen nach Verlassen des NK an.

20210502 WK JUV

20210502 WK

 Fotos: Stephan Rieck, Zarpen

02.05.2021 Links: Junger WK hat sich einen ungewöhnlichen Schlafplatz ausgesucht. Rechts: Ein adulter WK passt auf.

Wir warnen in dem Zusammenhang eindringlich davor, die jungen WK zu fangen, solange nicht offensichtliche Verletzungen vorliegen. Die JUV werden weiter von ihren Eltern versorgt. Und es kann durchaus auch gefährlich werden. Die adulten WK sind bekannt dafür, dass sie ihren Nachwuchs energisch verteidigen. Neben Scheinangriffen auf Störer können auch direkte Angriffe von hinten erfolgen. Und – eulentypisch – wird man sie beim Anflug nicht hören. Auch aus diesem Grund die eindringliche Bitte, die JUV nicht einzufangen! Auch mir persönlich ist es schon passiert, dass ein adulter WK Scheinangriffe auf mich flog, als ich mich bei der NK-Kontrolle einem unterhalb des NK an einem Baum sitzenden JUV näherte. Vermutlich flog der adulte WK keine direkten Angriffe, weil wir zu Dritt waren. Zu den bekanntesten Opfern eines Waldkauzangriffs zählt der britische Naturfotograf Eric Hosking, der bei Aufnahmen in der Nähe der Nisthöhle von Waldkäuzen so heftig attackiert wurde, dass er ein Auge verlor (Quelle: WIKIPEDIA; Eric Hosking, Frank W. Lane: An Eye for a Bird: The Autobiography of a Bird Photographer. Hutchinson & Co., London 1972, ISBN 0-09-104460-X, S. 20.).

 März - April 2021

Die beiden Monate verliefen in Bezug auf aktuelle Erkenntnisse zu unseren SE, auch aufgrund der bekannten Kontaktbeschränkungen, ereignislos.

Die Monate waren für mich geprägt von nahezu täglicher Büro-Arbeit, da ich seit Jahresbeginn den Job von Peter Finke in Teilen übernommen habe. Dieser kümmerte sich über 30 Jahre aufopferungsvoll und mit enormen Einsatz auch um die Datenhaltung zu SE und SK sowie die Betreuung der Gebietsbetreuerinnen und –betreuer. Den Umfang dieser Tätigkeit habe ich seit etwa Weihnachten letzten Jahres kennen und seine Arbeit schätzen gelernt. So bin ich nun verantwortlich für die Datenhaltung zu den SE-Vorkommen mit den gut 2.500 Standorten und die Betreuung der ca. 80 SE-Gebietsbetreuer. Mein besonderer Dank gilt daher Peter Finke und auch den Gebietsbetreuern für ihre Unterstützung und Mitarbeit.

Die Kontrollen der SE-NK sollte zu dieser Jahreszeit noch nicht erfolgen. Eine Störung in der Zeit der vermuteten Eiablage könnte zu Brutabbrüchen führen. Zudem müssen wir abwarten, ob sich die niedrigen Temperaturen mit oftmaligen Nachtfrösten verzögernd auf den Brutbeginn auswirken werden. So wurde es zumindest auch im letzten Jahre teils vermutet. Den Start der Kontrollen empfehlen wir daher frühestens Mitte Mai.

Januar - Februar 2021

Auf ein Neues! Das neue Jahr hat begonnen. Was wird es uns und vor allem unseren Schützlingen so alles bringen?

Die ersten beiden Monate hatten nur wenige erfreuliche Nachrichten für uns.

Unser ehemaliger 1. Vorsitzender Hans-Dieter MARTENS erhielt im Januar und Februar von der Vogelwarte Helgoland Ringfundmeldungen über zwei tote SE, die von ihm im Juli 2020 im Bereich Dänischer Wohld jeweils als Nestlinge beringt wurden.

Die erste Eule wurde am 21.11.2020 in den Niederlanden in APELDOORN (Provinz Gelderland) aufgefunden. Sie hatte somit in ca. vier Monaten eine Strecke von über 360km (Luftlinie zwischen Beringungs- und Fundort) zurückgelegt.

Die zweite tote SE wurde am 14.01.2021 in Dänemark bei SØNDERSØ (Provinz Syd Danmark) aufgefunden. Sie wurde nur gut sechs Monate alt und starb in 113km (Luftlinie) Entfernung von ihrem Geburtsort. Die zurückgelegte Flugstrecke (gestrichelte Linie) dürfte aber bei über 180km gelegen haben, da SE nicht über eine große Wasserfläche wie die Ostsee fliegen.

Wiederfunde

In der Regel verlassen junge SE ihren Geburtsort, suchen sich aber in einem Umkreis von maximal 50km Entfernung ein neues Revier. Ausnahmen davon sind aber keine Besonderheit:

„Von 1950 bis 2008 gab es in dem Material der Vogelwarte Helgoland 8363 Wiederfunde von nestjung beringten Schleiereulen. Davon hatten 1547 bis zum Wiederfund >100 km zurückgelegt. (KNIPRATH, Eulen-Rundblick Nr. 60 – April 2010)“

Gemäß dieser Daten haben knapp 20% der SE eine Strecke von über 100km zurückgelegt.

„Ringfundauswertungen zeigen, dass etwa zwei Drittel aller Wanderungsbewegungen innerhalb eines Radius von 50 km um den Geburtsort enden. Die Wanderungen können jedoch auch erheblich weiter führen. In Baden-Württemberg beringte Vögel wurden noch im ersten Lebensjahr beispielsweise an der holländischen Küste, in Südfrankreich oder in Spanien wieder aufgefunden. (www.biologie-seite.de/Biologie/Schleiereule)“

Beide SE waren Verkehrsopfer. Der Straßenverkehr gehört mittlerweile zu den größten Gefahrenquellen für die SE.

„Ulrike Sauter konnte anhand baden-württembergischer Ringfunde bereits 1956 nachweisen, dass ... 42,5% aller tot aufgefundenen SE Verkehrsopfer waren. Untersuchungen aus den 70er und 80er Jahren zeigen, dass in ganz Mittel- und Westeuropa … etwa 75% der Todfunde dem Straßenverkehr anzulasten sind …. (EPPLE, Schleiereulen, 1993, S.85)“.

Für ein weiteres negatives „Highlight“ sorgte der kurzzeitige Wintereinbruch von Anfang – Mitte Februar. Einige Landwirte meldeten uns tot aufgefundene oder stark geschwächte SE auf ihrem Hof.

Bekanntermaßen überleben nur wenige junge SE, wie es auch bei anderen Vogelarten der Fall ist, das 1. Lebensjahr. Speziell den Winter über sterben auch viele SE aufgrund Nahrungsmangel oder Krankheiten, neben den anderen Haupt-Ursachen wie Straßenverkehr und Prädatoren. Die Anzahl der Fundmeldungen hat sich in diesem Zeitraum auch erhöht, weil die SE als Kulturfolger sich in und an den landwirtschaftlichen Gebäuden aufhält und auch aufgrund ihrer Größe leichter auffindbar ist, als z.B. kleine Singvögel. Zudem zeigt sich glücklicherweise auch ein zunehmendes Bewusstsein für das Schicksal der SE in der Bevölkerung.

20210213 SE Paar in Scheune20210213 SE Paar nah

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Iris Postel vom 13.02.2021
Foto links: So könnte eine für die SE geeignete Scheune aussehen (hinten auf dem Balken sitzen sie).
Rechts (Ausschnitt aus dem linken Foto): Sehr schön zu erkennen, das etwas größere und oft an der Brust dunkler gefärbte Weibchen (links). Die Paarbindung scheint erfolgreich vollzogen zu sein.